Kettenschlagen, Kettenberuhiger, Kettenspanner

[Michael]

Liebe Twintreiber,

wie wir aus verschiedensten Berichten und eigener Erfahrung kennen, kommt es bei den kettengetriebenen Twins immer wieder zu einem unschönen Betriebszustand, dem Kettenschlagen. 

Dieser Zustand tritt bei den "BeltDrives" niemals auf und somit liegt die Vermutung nahe, das es sich um Resonanzschwingungen der Antriebskette handelt.

Am deutlichsten Tritt diese Erscheinung beim starken Beschleunigen im 5. Gang auf.
Je nach Übersetzungsverhältnis so um die 100 bis 110 km/h, bzw. zwischen etwa 4.000 und 5.000 U/min.

Falls euch dieses Phänomen auffällt, bitte geht kurz vom Gas und zieht es anschließend gefühlvoll wieder auf.
Das hilft sofort !
Sobald der Bereich der Resonanzschwingung "vorsichtig" überschritten wurde, kann es wieder mit Vollgas weitergehen ;-)

Es gibt eine sichere Abhilfemassnahme, wie uns Martin S. aus B. glaubhaft bestätigt hat.
Die Montage eines (Becker) Kettenkastens. Hier wird die Kette in einem komplett geschlossenen und gefetteten System untergebracht. Die Kette selber läuft zu großen Teilen in Gummischläuchen. Manche mögen das noch von verschiedenen Simson-Moppeds oder einigen MZ-Modellen kennen.
Die Optik ist Geschmackssache, der Preis war relativ hoch und - man kann sie nicht mehr neu kaufen.

Also wurden verschiedene Ideen umgesetzt, um dieses teilweise extreme Schwingungsverhalten der Antriebskette in Grenzen zu halten.
In einem anderen Thread wurden dazu schon Überlegungen angestellt und Infos gepostet.
Ich bitte alle, die Infos hier zu bündeln, d.h. bitte hier nochmal zu wiederholen.

Das Bild meines "Kettenberuhigers", einer federbelasteten Skaterrolle, hat die Diskussion ausgelöst:

DSCN9674 (Custom).JPG

Der hat die letzten 5.000 oder 10.000km gut funktioniert, benötigt jetzt aber im Rahmen eines Kettensatzwechsels Reinigung, Schmierung und eine neue Skaterrolle. Das Lager ist völlig verschlissen.

Über ein gepostetes Video und den Link von Carsten 
https://www.youtube.com/watch?v=-qhVOW--QSs

http://www.roll-ring.com/

bin ich via Youtube bei diesem System gelandet. 
Sieht auch vielversprechend aus:
https://www.youtube.com/watch?v=LK54bySPAXA

Ich freue mich auf eure Infos, Meinungen und Diskussionen zu o.g. Phänomen ;-)

LG, Michael

PS: Wenn ich an den Kettenriss (einer No-Name-Kette) an Marias LTD (Y1) in diesem Jahr zurückdenke, dann war es genau in diesem Geschwindigkeitsbereich. Mit Beladung durch vier Wochen Norwegengepäck(!), lang bergauf auf der Autobahn von 80 km/h auf unser Reisetempo von 115 km/h beschleunigt, dabei dann der Kettenriss. 
Zufall oder doch die extremste Auswirkung des Kettenschlagens ?

[onkelheri]

"Resonanz" ist das nicht wirklich... 

Durch die eher ungenaue Fertigung der Kettenblätter kommt es zu dem sogenannten  " Ziehharmonikaeffekt... 

Der schaukelt sich halt auf... 

Ich meine, eine gasdämpfer gestützte Gleitschiene ist machbar. Jedenfalls habe ich sowas an den Walzgerüsten meiner Ingenieurszeit realisiert.

Gruß heri

[ausreiter]

Hallo Michael,

zu Weinachten schenke ich Dir die breite Harley Kettenspannerrolle.

Hi Heri, es sind Resonanzen ausgelößt von den Ausgleichswellen,  denke ich.
Was meinen  die Andern ?


ciao, Peter

[onkelheri]

Guten Morgen Peter,

meine Walzgerüste hatten auch keine Ausgleichswellen und die Ketten haben genauso "geflattert" wie in Carstens Firmenvideo. Vor 15 Jahren hätte ich diese Ringe gerne gehabt. Da die sie für QUAD's abieten....ist der schritt zum Motorrad ja nicht so groß

Heri

[Michael]

Die Frage bleibt, warum an allen Kettentwins dieser Effekt zum genau gleichen Moment auftritt, ganz unabhängig vom verwendeten Kettensatz, dessen Zustand, der Kettenspannung oder der Übersetzung.

Ok, selbst wenn man es jemals rausfinden würde, was könnte man dann dagegen tun ?

Es geht also eher darum das Symptom zu kurieren als die Ursache.

LG, Michael

[onkelheri]

Mögen alle interessierten Twinfahrer ihre Maschine auf den Hauptständer stellen und dann langsam das Hinterrad gegen Fahrtrichtung drehen. Dabei wird man feststellen,  gerne unter Zuhilfenahme einen Gliedermasstabes oder einer passenden Holzklotzes, wie nun das "lose Trum" eine reichlich einige millimeter währende Auf und Abbewegung vollführt. Wie gesagt, Fertigungstoleranzen in der Mittigkeit der Verzahnung beider Kettenräder, als auch " Luft" bei der Montage. 
Ob die Kettenglieder in der Präzision gefertig werden das die Abstände derselben 1/100mm  exact sind darf auch bezweifelt werden.
Nicht umsonst steht in jeder schlauen Wartunganleitung das die Kette an eben der Stelle zu spannen ist,  bei der die Kette eben durch drehen des Rades fühlbar am straffsten ist. 

Hat die Z in der Hinterradnabe Ruckdämpfer?

Gruß Heri

[Michael]

Hi Heri,

ja, da ist ein üppig dimensionierter Ruckdämpfer drin.
Natürlich in unterschiedlichen Ausführungen bei den Bs und den LTDs !

Zumindest der Ruckdämpfergummi der LTDs scheint keine Altersschwäche zu bekommen.
Die sitzen alle noch straff drin und halten mühelos den dann eingesteckten Ritzelträger samt Ritzel.

Das mit unterschiedlich gelängter Kette, nicht 100% genauen Fertigungstoleranzen, alles klar.
Es geht bei dem Phänomen auch nicht um die dadurch verursachten "Kleinigkeiten" die einem aber in allen Drehzahl- bzw. Geschwindigkeitsbereichen begegnen können, sondern um eine massive Erscheinung, die aber nur in dem benannten Drehzahlbereich auftritt.

Durch Martins Fettkasten wissen wir schon, das sich der Effekt durch das "Beruhigen" der Kette minimieren oder ganz abstellen läßt.

Ich könnte mir gut vorstellen das Thema dadurch zu lösen, das man oberes und unteres Kettentrum in einen dicken Schlauch steckt und da durchlaufen läßt.
Mir ist nur noch nichts Sinnvolles und Vertrauenswürdiges eingefallen, um das sicher montieren zu können.
Von Optik mal garnicht zu reden. Ok, den oberen Schlauch könnte man unter dem Kettenschutz anbringen und daran befestigen, aber unten ?

BTW:
Alle Y1-LTD-Modelle (1982) besitzen keinen Hauptständer, nicht mal die Laschen dafür am Rahmen !

LG, Michael

[Thomas]

Jedes schwingfähige System hat eine Eigenfrequenz. Bei den Twins wird die eben in genanntem Bereich angeregt ursächlich durch den Zylinderdruck. Da hillft nur dämpfen mit Spanner oder den Schwingweg begrenzen mit Gleitschiene (siehe Steuertrieb) oder fester Rolle. Für die Antriebskette würde ich keine Gleitschiene nehmen (Schmutz / Verschleiß durch zuviel Reibung).

Gutes Konstruieren,
Thomas

[bikeorslk]

Moin,

spannend, was da losgetreten wurde und ja, Michael, du hast völlig recht: Das Thema ist einen eigenen Thread wert.

Nur Schläuche um die Kette? Da gruselt mir etwas vor. Neben dem Fernhalten von Schmutz und der guten Schmierung hat der Fettkettenkasten ja genau das was wir hier suchen: Ein eingebautes Dämpferelement, das Kettenfett. Das ist es, was hier sicher am meisten wirkt.

Und damit sind wir wieder bei gestern angekommen: Ein schwingendes System wird durch äußere Einflüsse angeregt und hat irgendwo eine Resonanzfrequenz. Hat die Ketten-/Ritzelkombination eine Ungleichmäßigkeit (hat sie, da bin ich voll bei Heri) gibt es eine wiederkehrende Dynamik = Schwingen. und wenn das im "richtigen" Takt (= tempo 100, bei allen gleich, weil die Kettenlänge halt gleich ist) passiert, kommt's zur Resonanz-(Katastrophe), wie die Brücke, über die Soldaten marschieren. Mit einer reinen federbelasteten Konstruktion kommt man da nicht weiter, weil die Schwingungsenergie zwar von der Feder aufgenommen, aber im Idealfall eben auch genauso wieder abgegeben wird.
Ein Dämpfer setzt die aufgenommene Energie idealerweise komplett in Wärme um und entzieht so dem System die Grundlage für eine Resonanz.
Der Rosta-Dämpfer ist eine Kombination aus Federelement und Dämpfer (wie übrigens der Chain-Ring auch). Das ist auch nötig, damit nach Entlastung das Dämpferelement wieder zurückgestellt wird und für den nächsten Stoß (= die nächste Halbwelle) zur Verfügung steht.

Das ganze lässt sich mit einer Differentialgleichung zweiter Ordnung beschreiben, aber das ist zu lange her bei mir ;-)

Bye

Carsten

[Michael]

Servus Männer,

ich habe mir im Caferacerforum Bilder von Sven ausgeliehen.
Er hat eine SR500 mit XT500-Rahmen zum Renner umgebaut und diese interessante Variante eingebaut:

Svens Kettenrollen SR500.JPG

Leider ist er schon damit gestürzt und hat die Risse im Rahmen eingezeichnet.
Ansonsten erkennt man hier noch die relativ starke Umlenkung der Kette.
Das würde zwar nicht unsere Gesamtkettenlänge (106 Glieder) reduzieren, aber den schwingfähigen Teil verkürzen.

Sven Kettenrollen2.JPG

Ich könnte Sven kontaktieren und fragen, was er dafür verwendet hat.
Evtl. sind das schon die Rollen die Carsten gepostet hat.

LG, Michael