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Expertenfrage?

Verfasst: Fr 11. Jul 2014, 01:42
von roland
Hallo,
ich habe heute an einem Twin-Motor einen Fehler festgestellt, der mich umgehauen hat. Entweder der Monteur bei KHI war mit Reisschnaps abgefüllt, oder ein Edelschrauber bei einer Inspektion war beteiligt.
Da es wirklich verrückt ist, will ich die Folgen des Fehlers in Bild und Wort beschreiben und dann sollt Ihr herausfinden was der Fehler ist.

Für denjenigen der die richtige Lösung postet gebe ich 2 Kisten Bier beim nächsten Treffen aus.

Am Montag rief mich ein Bekannter an, der Motorräder schlachtet und auch ganze Werkstattauflösungen kauft. Er hätte für mich einen Twinmotor fast neu, höchstens 3000km gelaufen, seit 83 in einer Werkstattecke gelegen aus einer damaligen Unfallmaschine. Also heute in aller Frühe hin und angeschaut.
Wow, Lappen aus den Auslassöffnungen und glänzende Ventilteller (gleichzeitig glänzende Augen), also Cash und eingeladen das gute Stück.
Zuhause angekommen Kerzen raus und mit der Kamera mal Brennraum anschauen. Schock, Kratzer in der Lauffläche beider Zylinder. Ventildeckel runter, Nocken wie neu. Jetzt hatte ich keine Ruhe mehr, also ab in den Montageständer. Nockenwellen raus, Riefen in den Laufflächen und Lagerböcken. Kopf ab und Zylinder runter, Laufspuren und Riefen wie nach 100.000km. Was keinen Sinn ergab da die Gleitschienen der Steuerkette wie neu und ohne Verschleiß sind. Also komplett Zerlegung.
Nun ergab sich folgendes Schadensbild:
Nockenwellen mit Schaden im Lagerbereich. "Bild 1"
Kolben und Zylinder mit hohem Verschleiss und Riefen. "Bild 2"
Pleullager und Kurbellwellenlager mit Riefen. "Bild 3"
Alles was man bei einem verschlissenem Motor erwartet.
Im Gegenzug aber:
Gott sei Dank, Kurbellwelle tip top. "Bild 4"
Getriebe und Schaltgabeln neuwertig. "Bild 5"
Alle Gleitschienen und Kettenspanner der Ausgleichwellen ( nur eine Rast ausgefahren)wie neu, als Vergleich sind in "Bild 6" jeweils rechts Neuteile und links daneben die ausgebauten. Auch alle anderen Teile; Ventile, Ventilsitze, Anlasserfreilauf, Primärkette usw. neuwertig.
nockw.jpg
Bild 1
kolb.jpg
Bild 2
pleulla.jpg
Bild 3
kurbw.jpg
Bild 4
schaltgab.jpg
Bild 5


gleitsch.jpg
Bild 6



Nun können die Antworten kommen :rolleyes:


Gruß roland

RE: Expertenfrage?

Verfasst: Fr 11. Jul 2014, 15:51
von Michael
Hi Roland,

wie die Zylinder innen aussehen, ist auf keinem Bild zu sehen.
Auch die Lagerschalen der Kurbelwelle im Gehäuse sind nicht zu sehen.

Die Kratzer in den Kolben sind nicht schön, aber auch nicht sooo schlimm.
Die Nockenwellenlager und die unteren Pleuellager sehen schlimm aus.
Hier würde ich klar auf mangelnden Öldruck oder falsches Schmiermittel tippen. Benzin statt Motoröl ?
Evtl. auch eine Dichtung bzw. übermäßiger Dichtmassenauftrag, die / der den Öldurchfluß gemindert hat ?

Ich bin nicht sicher, was ein defektes Ölüberdruckventil anstellt ?
Wenn das zu früh öffnet, nehmen auf jeden Fall die Gleitlager Schaden.
Zylinder und Kolben werden von abgeschleudertem Öl speziell des unteren Pleuellagers bedient.
Kommt da zu wenig an, kann auch nicht genug abgeschleudert werden.
Für die "drucklose" Ölzufuhr (Sprühöl) zum Getriebe könnte es immerhin noch reichen.

Hast du den Fehler schon gefunden und stelltst uns hier nochmal auf die Probe ?

LG, Michael

RE: Expertenfrage?

Verfasst: Fr 11. Jul 2014, 18:40
von manne
nach diesem Satz:

Entweder der Monteur bei KHI war mit Reisschnaps abgefüllt, oder ein Edelschrauber bei einer Inspektion war beteiligt.

bin ich ziemlich sicher dass Feder und Kugel im Überdruckventil falsch rum eingebaut waren..

wäre Benzin statt Öl im Motor gewesen wäre für Kurbelwelle und Getriebe auch kein Öl anwesend gewesen. Diese Teile "im Schleuderöl" sehen wohl aber relativ gut aus - Drucköl zum Kopf war aber keines mehr vorhanden. ... Für die Kette und Ventile aber noch ausreichend Schlederöl durch die Steuerkette..
Schade um den Motor..

Manne

auch ein Variante wären fehlen eines dieser Teile.. oder fehlender Pumpenräder der Ölpumpe... aber das wäre seeeeehr weit weg - aber unter "guten Drogen" möglicherweise auch denkbar. aber eben sehr unwahrscheinlich. Jedenfalls kein Öldruck zu den Schmierstellen im Kopf - das ist sicher.. im Getriebe Schaltgabeln Schienen der Kette etc top, also Öl sehr wohl hier vorhanden..

RE: Expertenfrage?

Verfasst: Sa 12. Jul 2014, 12:11
von Rolf Simon "Gaga"
Hi Roland,
wie sehen denn die Druckreduzierbuchsen in der Ölsteigleitung zum Kopf aus? Waren die überhaupt montiert oder zugesetzt? Denn der Mangel an Druckölversorgung im Kopf ist offensichtlich.
Das die Laufflächen der unteren Pleuellageschalen so riefig aussehen könnte mit Bearbeitungsrückständen erklärbar sein, merkwürdig nur das keine Riefen auf den Hubzapfen sichtbar (erkennbar) sind. :wallbash:
Die Riefen auf den Kolben sind eher unerheblich, auch die BlowBy-Spuren der Kolben, lassen nicht auf höhere Laufleistung schliessen, also plausibel.
Die Zylinderlaufbahnen dürften ebenso unerhebliche Riefen, falls überhaupt, erkennen lassen.
Lange hat der Motor jedenfalls nicht mit diesen Schäden arbeiten müssen, da hat man ja wohl sicherheitshalber (Garantie- oder Kulanzansprüche) nach einem evtl. Werkstattbesuch den Motor ausgetauscht.
Kommt mir zumindest so vor und wäre auch mit den Bemerkungen des Vorbesitzers konform.
Schönes Rätselthema, bitte fortsetzen! :thanks:
Bis dahin,
Gaga :motorrad:

RE: Expertenfrage?

Verfasst: Sa 12. Jul 2014, 12:17
von martin s aus b
... kein Öldruck zu den Schmierstellen im Kopf ....

Das erklärt aber nicht die Riefen in der Kolbenlaufbahn.

Falls also weder verstopfte Ölzuführungen noch eine verschlissene oder unvollständige Ölpumpe auftaucht stellt sich die frage, ob der Motor überhitzt betrieben wurde.

Ein nur zeitweiser Zusammenbruch des Schmierfilms aufgrund extremen Viskositätsabfall des Schmieröls und daraus resultierend Betrieb im Mischreibungsgebiet würde weder im Getriebe noch auf Kettenspannern oder Wälzlagern Schadspuren hinterlassen. Aber alle Gleitlagerstellen, Nockenwellen, Kurbelwelle, Anlage der Kolben an der Zylinderwand werden beschädigt bzw zeigen Reibspuren und Riefen, wenn der Schmierfilm zusammenbricht.

Martin

RE: Expertenfrage?

Verfasst: So 13. Jul 2014, 23:01
von roland
Hallo,
Expertenrunde.
kulag.jpg
hier noch ein Bild einer Kw-Lagerschale, die ein deutliches Schadbild zeigt.
Überdruckventil : Nein/OK
Druckreduzierbuchsen: Nein/OK
Bearbeitungsrückstände: Wahrscheinlich im Öl vorh. Ursache im 2.Rang
Ölpumpe: Nein/ Maßhaltig aber mit Abdrücken wie Lagerschalen
Öl-visk. -qualitätsherabsetzung: Möglich bzw. Wahrscheinlich. Ursache im 2. Rang.

Ihr kommt der Sache immer näher. :cool:



L.G roland

RE: Expertenfrage?

Verfasst: Mo 14. Jul 2014, 00:16
von manne
KEIN Ölfilter ? und daher abrasive "Abrieb-Partikel" im gesamten Motor gleichmässig an alle druckölgeschmierten Lagerstellen verteilt?!

es bleibt spannend. (spanend?)

Manne

wenn Ölversorgungswege / innere Schmierung mechanisch komplett und in Ordnung ist bleibt wohl nur "verseuchtes" Schmiermittel übrig. Denn die wie oben beschrieben: die im Schleuderöl laufenden Teile sind offensichtlich wohl ok..

RE: Expertenfrage?

Verfasst: Mo 14. Jul 2014, 00:46
von Michael
Was zur Hölle sind das für merkwürdige Spuren ?
Wurmfraß ?
Habe ich in 30 Jahren Schrauberdasein noch nie gesehen !

LG, Michael

RE: Expertenfrage?

Verfasst: Mo 14. Jul 2014, 08:42
von Scholly
Die Spuren in der KW-Lagerschale sehen aus, als wären sie durch langes stehen (richtiger Stillstand) ohne Öl entstanden. Es muß aber auch Feuchtigkeit vorhanden gewesen sein; dabei sind dann galvanische Ströme (edlere/unedlere Materialien) geflossen, die diese Stellen langsam rauserodiert haben. (evtl. langt auch Kondenswasser im Öl!?) An diesen Stellen entstehen dann verschiedene Oxide, die sehr reibfähig sein können.
Vielleicht ist der Motor nach langem Stillstand ohne richtige Vorbereitung wieder in Betrieb genommen worden.

Viele Grüße aus dem Urlaub (man kommt einfach nicht los von diesem Forum!)
Scholly

RE: Expertenfrage?

Verfasst: Di 15. Jul 2014, 17:31
von Bruder Lustich
Hallo miteinander,

der Lochfraß an den Lagerschalen erinnert mich an die Z 550er meines Cousins. Er hat schlichtwegs das alte Öl jahrelang drin gelassen und die Maschine in den Keller gestellt. Nach etwa 15 Jahren wollte er wieder fahren, zerlegte den Motor und hat ein gleiches Resultat vorgefunden.
Die Verbrennungsrückstände (Schwefelverbindungen) im alten Öl haben die Löcher verursacht wurde damals festgestellt. Denke, Scholly hat somit nicht ganz unrecht.
Wegen der Laufspuren hege ich den Verdacht, dass Roland das erste Öl abgelassen hat. Bei 3000km Laufleistung und einer gründlichen 1.Wartung dürften sich das nicht ereignen, oder Ölwechsel und kein Ölfilter mehr verbaut. Es waren jedenfalls sehr aggressive Teilchen am Werk während der Motor lief.

Viele Grüße

Gerd