Du Schlamper!
Verfasst: So 30. Sep 2018, 01:36
Dienstag vorvergangener Woche, es ist kurz nach neun, ich hab im Camping-Cafe schon italienisch gefrühstückt, zwei Brioches, zwei Cappucci, hab nochmal in die Karte gekuckt, im Schatten – in der Sonne wirds schon ganz schön warm – das ganze Motorradgeraffel angezogen, die GS auf den Hauptständer gewuchtet und werd jetzt gleich starten.
Am Sonntagnachmittag bin ich von zu Haus gestartet, auf der Autobahn um Stuttgart rum, dann ab Urach auf kleinen Straßen über die schwäbische Alb, durchs Allgäu, übers Oberjoch bis ins Tannheimer Tal. Dort hab ich gegen halb acht Abends das Zelt auf einer Wiese hinter einen Schuppen aufgestellt, morgens bei leichtem Nebel wieder abgebaut, in Weissensee, schon wieder in der Sonne, zu üppig gefrühstückt und bin dann, weil das Hahntennjoch zu meiner großen Überraschung ab genau diesem Montag für eine Woche gesperrt ist, durchs Namlos-Tal Richtung Fernpass weiter. Das Namlostal hat sich als super Motorradstrecke rausgestellt und scheint, wie ich den Warnschildern entnehme, früher im Jahr auch viel befahren zu sein. Heut ist nichts los und ich hab ohne jeglichen Verkehr richtig Spaß.
Am späten Vormittag am Stilfser Joch gibt’s bergauf jede Menge Rennradler und Mountainbiker und das um die Zeit auch schon im Gegenverkehr. Die behindern ein wenig den ‚Fahrfluß‘, immer mal wieder stauen sich Autos und die paar Motorradler hinter ein oder zwei Radlern. Von hinten kommen dann, noch relativ weit unten, ein paar Kilometer hinter Prad, zwei holländische KTM-Tiefflieger und klemmen mich gleich mal rechts hinter einen Pkw ein. Sowas kann ich absolut gut ab ….
Dann sind sie an dem Pkw und dem Transporter davor vorbei aber immer noch in der Autoschlange und überholen in der gleich darauf folgenden Ortsdurchfahrt nicht weiter sondern bleiben brav hinter dem nächsten Pkw. Und sind, weil ich, angepisst wie ich bin, in der Ortsdurchfahrt einfach an der Schlange vorbeifahr, am Ortsende wieder hinter der alten Kawa. Sie probieren zwar, schaffens aber, das ist mir ein innerer Vorbeimarsch, in den engen Kehren des Stilfser Joch mit den kurzen Geraden, den Radlern, dem Gegenverkehr, nicht mehr, mich zu überholen. Aus den Kehren zieht die Kawa bereits ab 2000 Umdrehungen kräftig an, ich schalt auch ein wenig mehr – ich hab jetzt ja Spaß mit sechs Gängen – als ich das normalerweise auf so einer Strecke machen würde und die KTMs mit ihren fetten Reifen haben im Gegensatz zur Enduro mit den Haarnadelkurven, die es am Joch massenweise gibt, richtig Probleme. Ich fahr in den eher weiten Kurven dies auch gibt vielleicht ein wenig weiter links als nötig, die Geraden sind meist zu kurz um vorbeizukommen und wenn dann doch mal eine längere kommt hab ich tatsächlich das Glück, daß entweder ich auch überholen und damit die Vorbeifahrt sperren kann oder daß Gegenverkehr kommt und das Sträßchen zu eng zum Vorbeidrücken wird. Oben, wo die Geraden wieder länger werden und ich keine Chance mehr gehabt hätte haben sie die Nerven verloren und aufgegeben.
Anschließend über den Gavia https://alpenrouten.de/Gavia-Passo-di-G ... nt181.html , muß man mal gefahren sein, weiter Richtung Breno und von dort über den kleinen Croce Domini https://alpenrouten.de/Croce-Domini-Pas ... nt110.html nach Anfo am Idro-See wo ich gegen sechs das Zelt aufstelle. Die Abfahrt vom Croce Domini nach Bagolino, ein einziger Kurventraum. Da hab ich mir abends eine Pizza im Ristorante am See verdient, trinke dazu erst ein kleines Bier gegen den Durst und dann einen halben Liter Vino bianco locale und schlafe danach wunderbar.
Also jetzt geht’s los, der Plan sieht vor daß ich auf kleinen Straßen vom Südende des Idro zum Gardasee rüberfahr, dort ums Südende rum und dann auf die Monte-Baldo-Höhenstraße. Am Altissimo die Nago https://alpenrouten.de/Altissimo-Monte- ... int15.html will ich mal schaun ob man da mit der Enduro … , dann weiter nach Riva und von dort nicht auf der Hauptstraße sondern, zumindest will ichs versuchen, nach Limone und über den für Motorräder eigentlich gesperrten Tremalzo https://alpenrouten.de/Tremalzo-Passo-di_point515.html unter Vorspiegelung der falschen Tatsache einer Übernachtung in Riva, mittels der man angeblich dann einen Freibrief zur Benutzung bekommt, wieder nach Anfo.
Ich steig auf die Maschine, steh auf die Fußrasten, mach den Benzinhahn auf, drück den Choke, schalt die Zündung ein, mach den ‚Aus‘-Knopf auf 'Ein', klemm noch die rechte Fußraste hoch damit der Kickstarter beim Kaltstart den vollen Weg macht und nicht auf der Raste aufschlägt, und tret schließlich kräftig runter. Was mein rechtes Arthrose-Knie schon die letzten zwei Tage nicht so besonders mag.
Erster Versuch, nix, zweiter Versuch, nix … siebter Versuch, nix. Absteigen und Helm ab, bei der Übung geht ganz schnell die Puste aus und ich schwitz mit Kombi, Handschuhen und Helm gleich richtig los, die Sonnenbrille beschlägt, das ist nicht lustig.
Nach einer Viertelstunde ist das immer noch nichts, der Motor geht ungefähr jeden zehnten Tritt kurz an, nimmt aber kein Gas an und stirbt dann wieder ab. Ich tausch die Kombi gegen kurze Hose und zieh wegen Kickstarter die Stiefel wieder an und probiers dann nochmal fünf Minuten. Die Wohnmobil-Nachbarn kucken auch schon, halten sich aber mit Kommentaren zurück und ich sehs dann schließlich ein, so wird das nichts.
Motor läuft nicht, ganz klar, entweder kein bzw. verhungerter Zündfunke oder kein Sprit, gestern lief sie ja auch noch. Na ja, wenn ich so drüber nachdenke, vielleicht nicht ganz optimal. Auf der schwäbischen Alb ist sie mir zwei oder drei Mal an einer Ampel – gibt’s selbst da – ausgegangen und dann auch nicht wirklich klasse angesprungen. Was auch dazu geführt hat, daß ich den Motor beim Blick in die Karte, Anhalten, Handschuhe aus, Sonnenbrille runter, Lesebrille raus und aufsetzen, Karte aus dem Fach am Tankrucksack und Auffalten und dann das Ganze wieder retour, hab weiterlaufen lassen und dazu auch das Standgas ein wenig hochgedreht hab. Oder an einer Stelle angehalten hab wo ich sie bergab im dritten Gang anlaufen lassen konnte. Also irgendwas war da schon faul. Optimal gezogen hat sie ja vielleicht auch nicht, ist ja mit viel Gepäck im Vergleich zum üblichen ‚leer‘ schwer zu beurteilen. Und nach dem Tanken musst ich jedes Mal richtig wüst treten bis sie wieder gelaufen ist.
Apropos Tanken, die letzte Tankstelle in Breno war schon auch ein wenig windig – Diesel??? Riecht man ja heute nicht mehr aber dann wär sie ja nicht noch 50 km gelaufen, oder?
Also Zündfunke, das Werkzeug raus, die Kerzen …! Na, die hätt ich vielleicht auf den 30.000km die ich bis jetzt mit der Enduro gefahren bin auch mal wechseln können. Sie schaun abgebrannt und rußig aus, ein Abstand ist gefühlt richtig der zweite ein gutes Stück zu groß aber wie ich sie in die Kerzenstecker steck, mit Handschuh an – ich bin auch schon mal am Zündfunken gehangen, das ist nicht lustig – an den Motorblock halte und dann den Kickstarter trete funkts doch sichtbar.
Das wars also nicht, bleiben die Vergaserdüsen. Die GS ist ein tolles Motorrad aber um die Schwimmerkammern abzuschrauben müssen die direkt darunter liegenden Auspuffkrümmer weg, sonst wirst Du beim Gepfriemel an den vier M4-Schräubchen wahnsinnig. Ich montier also den kompletten Auspuff ab, hab zwanzig Minuten später die erste Schwimmerkammer runter und schraub die Düsen raus. Nach weiteren zehn Minuten find ich zu meiner grossen Erleichterung auch die Hauptdüse wieder die mir dann gleich mal ins Gras fällt.
Na ja, die Düsen, da könnte vielleicht ein Wassertropfen – oder auch nicht. Ich puste sie durch und schraub alles wieder drauf und mach mich dann an den anderen Vergaser. Gegen halb zwölf, ich hab mir noch eine Cola geholt, nicht gegen Durst, sondern weil ich das Dosenblech brauch um den Auspuffendtopf an der Verbindung zum Krümmersammler wieder richtig dicht zu bekommen, hab ich alles wieder zusammen.
Hände waschen, einer der Endurofahrer die weiter vorne campieren hat eine Tube des wunderbaren ALDI-Handreinigungsmittels dabei, und dann kommt die Stunde der Wahrheit.
Zwei Tritte, der Motor läuft, Riesenerleichterung ... und geht wieder aus. Und alles ist genau wie vorher, bei jedem zehnten Tritt … aber er nimmt kein Gas an. Sche....e, Sche....e, Sche....e!!!!!
Ich setz mich auf meinen Campingstuhl und überleg. Wir haben offensichtlich Sprit, ach ja, die Kerzen waren so feucht, daß ich sie mit dem Gasfeuerzeug sauber gebrannt hab, wir haben einen Zündfunken. Aber vielleicht ist die Zentralschraube am Fliehkraftversteller nicht fest oder sind die beiden Schräubchen, die den Zündgeber halten, locker und es hat die Zündung verstellt. Ich schraub den Deckel über der Zündung runter, alles in Butter, so ein Mist, jetzt fällt mir gar nichts mehr ein.
Nach einer weiteren Viertelstunde ist mir klar, daß ich einen Heimtransport brauche. Ich ruf meinen Kumpel Karl-Heinz an und frag ihn, ob er nicht Lust hat seinen Hänger an mein Auto zu hängen und eine kleine 650 km - Reise an den Idro-See zu machen. Karl-Heinz ist seit einem guten Jahr Rentner, hat immer Programm, muß morgen auch erst mal mit seinen Rennradlern auf die Strecke, kann die Idro-Tour aber mir zuliebe übermorgen, am Donnerstag, einschieben.
Ich sitz da und überleg, was ich bis dahin mache. Eigentlich wollt ich noch weiter zum Pasubio um die ‚strada delle 52 gallerie‘ https://de.wikipedia.org/wiki/Strada_delle_52_Gallerie zu erwandern, ich hab extra Wanderstiefel, Wanderjacke und einen Rucksack dabei. Das wär 100 km weiter und wird jetzt wohl eher nichts, vielleicht ruf ich Karl-Heinz nochmal an und sag ihm, er soll auch Wanderzeugs mitbringen, dann können wir mit dem Auto noch da rüber. Aber jetzt ist erst mal Wandern am Idro angesagt.
Die Nachbarin, ganz nette Leute, kommt aus ihrem dicken Leipziger Wohnmobil und fragt, ob ich schon das world-wide-web konsultiert hätte, da gäbs für jedes Problem eine Lösung. Hab ich natürlich nicht, also macht sies und landet auf einer Seite, auf der Motorradtechnik erklärt wird. Nach zehn Minuten stellen wir das ein, die Tips helfen nicht wirklich weiter und ich hab auch die Sicherung der Benzinpumpe nicht geprüft weil … ihr dürft raten warum.
Ich setz mich wieder ein wenig auf den Campingstuhl und denk über die Situation nach. Nächstes Jahr geh ich voraussichtlich in Rente und dann will ich mit der GS ein Mal richtig weg, Albanien, weiter in die Osttürkei, auf den Nemrut Dag auf dem wir vor knapp 40 Jahren schon mal mit dem R4 waren und weiter an den Ararat, vor dem wir damals nach sechs Wochen Türkei-Tour blöderweis ans Mittelmeer abgebogen sind, vielleicht auch noch nach Georgien, Armenien. Wenn sie auf der Tour irgendwo hinterm Ararat stehen bleibt hilfts wahrscheinlich eher nichts, Karl-Heinz anzurufen.
Unter diesem Aspekt kann es also gar nicht sein daß ich einen Motor, den ich gestern Abend einfach nur abgeschaltet hab heut nicht wieder zum Laufen bring. Ich überleg nochmal was ein Verbrennungsmotor grundsätzlich so braucht, damit er läuft: Zündung, Sprit und Luft muß eigentlich reichen wenn er am Vortag noch marschiert ist.
Zündung, hat er! Sprit, hat er! Luft, hat er! Hat er wirklich? Also, Luft hab ich nicht gekuckt.
Die GS ist, weil der linke Auspuff über dem Motorgehäuse zwischen Getriebe und Luftfilterkasten nach rechts durch muß, auf einen liegenden K&N-Tauschluftfilter umgebaut und um den rauszubauen muß ich ein wenig schrauben. Er klemmt dann auch noch aber nach knapp zehn Minuten hab ich ihn rausgewürgt. Mach den Benzinhahn auf, drück den Choke, schalt die Zündung ein, trete einmal. Und der Motor läuft als wär nie was gewesen.
Ich kuck den Filter an, der ist innen voller Dreck. Den hab ich, genau wie die Kerzen, 30.000km völlig ignoriert, bin aber damit doch schon die eine oder andere Staubstrecke gefahren. Die Endurofahrer vorne auf dem Camping sind mit Autos und Hängern da und gut sortiert. Einer hat Bremsenreiniger dabei, ich stopf Klopapier in den Filter und sprüh ihn ein, das Papier wird von dem Schlamm der da rausläuft rabenschwarz.
Der Endurokumpel kuckt auch und meint dann, daran hätt er schon auch gedacht, wär aber bei einem Schrauber nie auf die Idee gekommen, daß man ernsthaft über einen verdreckten Luftfilter nachdenken muß.
Das war jetzt, finde ich, sehr freundlich formuliert. Meine Mutter selig hätt dazu einfach ‚Du Schlamper!‘ gesagt. Und damit absolut recht gehabt.
Martin
Am Sonntagnachmittag bin ich von zu Haus gestartet, auf der Autobahn um Stuttgart rum, dann ab Urach auf kleinen Straßen über die schwäbische Alb, durchs Allgäu, übers Oberjoch bis ins Tannheimer Tal. Dort hab ich gegen halb acht Abends das Zelt auf einer Wiese hinter einen Schuppen aufgestellt, morgens bei leichtem Nebel wieder abgebaut, in Weissensee, schon wieder in der Sonne, zu üppig gefrühstückt und bin dann, weil das Hahntennjoch zu meiner großen Überraschung ab genau diesem Montag für eine Woche gesperrt ist, durchs Namlos-Tal Richtung Fernpass weiter. Das Namlostal hat sich als super Motorradstrecke rausgestellt und scheint, wie ich den Warnschildern entnehme, früher im Jahr auch viel befahren zu sein. Heut ist nichts los und ich hab ohne jeglichen Verkehr richtig Spaß.
Am späten Vormittag am Stilfser Joch gibt’s bergauf jede Menge Rennradler und Mountainbiker und das um die Zeit auch schon im Gegenverkehr. Die behindern ein wenig den ‚Fahrfluß‘, immer mal wieder stauen sich Autos und die paar Motorradler hinter ein oder zwei Radlern. Von hinten kommen dann, noch relativ weit unten, ein paar Kilometer hinter Prad, zwei holländische KTM-Tiefflieger und klemmen mich gleich mal rechts hinter einen Pkw ein. Sowas kann ich absolut gut ab ….
Dann sind sie an dem Pkw und dem Transporter davor vorbei aber immer noch in der Autoschlange und überholen in der gleich darauf folgenden Ortsdurchfahrt nicht weiter sondern bleiben brav hinter dem nächsten Pkw. Und sind, weil ich, angepisst wie ich bin, in der Ortsdurchfahrt einfach an der Schlange vorbeifahr, am Ortsende wieder hinter der alten Kawa. Sie probieren zwar, schaffens aber, das ist mir ein innerer Vorbeimarsch, in den engen Kehren des Stilfser Joch mit den kurzen Geraden, den Radlern, dem Gegenverkehr, nicht mehr, mich zu überholen. Aus den Kehren zieht die Kawa bereits ab 2000 Umdrehungen kräftig an, ich schalt auch ein wenig mehr – ich hab jetzt ja Spaß mit sechs Gängen – als ich das normalerweise auf so einer Strecke machen würde und die KTMs mit ihren fetten Reifen haben im Gegensatz zur Enduro mit den Haarnadelkurven, die es am Joch massenweise gibt, richtig Probleme. Ich fahr in den eher weiten Kurven dies auch gibt vielleicht ein wenig weiter links als nötig, die Geraden sind meist zu kurz um vorbeizukommen und wenn dann doch mal eine längere kommt hab ich tatsächlich das Glück, daß entweder ich auch überholen und damit die Vorbeifahrt sperren kann oder daß Gegenverkehr kommt und das Sträßchen zu eng zum Vorbeidrücken wird. Oben, wo die Geraden wieder länger werden und ich keine Chance mehr gehabt hätte haben sie die Nerven verloren und aufgegeben.
Anschließend über den Gavia https://alpenrouten.de/Gavia-Passo-di-G ... nt181.html , muß man mal gefahren sein, weiter Richtung Breno und von dort über den kleinen Croce Domini https://alpenrouten.de/Croce-Domini-Pas ... nt110.html nach Anfo am Idro-See wo ich gegen sechs das Zelt aufstelle. Die Abfahrt vom Croce Domini nach Bagolino, ein einziger Kurventraum. Da hab ich mir abends eine Pizza im Ristorante am See verdient, trinke dazu erst ein kleines Bier gegen den Durst und dann einen halben Liter Vino bianco locale und schlafe danach wunderbar.
Also jetzt geht’s los, der Plan sieht vor daß ich auf kleinen Straßen vom Südende des Idro zum Gardasee rüberfahr, dort ums Südende rum und dann auf die Monte-Baldo-Höhenstraße. Am Altissimo die Nago https://alpenrouten.de/Altissimo-Monte- ... int15.html will ich mal schaun ob man da mit der Enduro … , dann weiter nach Riva und von dort nicht auf der Hauptstraße sondern, zumindest will ichs versuchen, nach Limone und über den für Motorräder eigentlich gesperrten Tremalzo https://alpenrouten.de/Tremalzo-Passo-di_point515.html unter Vorspiegelung der falschen Tatsache einer Übernachtung in Riva, mittels der man angeblich dann einen Freibrief zur Benutzung bekommt, wieder nach Anfo.
Ich steig auf die Maschine, steh auf die Fußrasten, mach den Benzinhahn auf, drück den Choke, schalt die Zündung ein, mach den ‚Aus‘-Knopf auf 'Ein', klemm noch die rechte Fußraste hoch damit der Kickstarter beim Kaltstart den vollen Weg macht und nicht auf der Raste aufschlägt, und tret schließlich kräftig runter. Was mein rechtes Arthrose-Knie schon die letzten zwei Tage nicht so besonders mag.
Erster Versuch, nix, zweiter Versuch, nix … siebter Versuch, nix. Absteigen und Helm ab, bei der Übung geht ganz schnell die Puste aus und ich schwitz mit Kombi, Handschuhen und Helm gleich richtig los, die Sonnenbrille beschlägt, das ist nicht lustig.
Nach einer Viertelstunde ist das immer noch nichts, der Motor geht ungefähr jeden zehnten Tritt kurz an, nimmt aber kein Gas an und stirbt dann wieder ab. Ich tausch die Kombi gegen kurze Hose und zieh wegen Kickstarter die Stiefel wieder an und probiers dann nochmal fünf Minuten. Die Wohnmobil-Nachbarn kucken auch schon, halten sich aber mit Kommentaren zurück und ich sehs dann schließlich ein, so wird das nichts.
Motor läuft nicht, ganz klar, entweder kein bzw. verhungerter Zündfunke oder kein Sprit, gestern lief sie ja auch noch. Na ja, wenn ich so drüber nachdenke, vielleicht nicht ganz optimal. Auf der schwäbischen Alb ist sie mir zwei oder drei Mal an einer Ampel – gibt’s selbst da – ausgegangen und dann auch nicht wirklich klasse angesprungen. Was auch dazu geführt hat, daß ich den Motor beim Blick in die Karte, Anhalten, Handschuhe aus, Sonnenbrille runter, Lesebrille raus und aufsetzen, Karte aus dem Fach am Tankrucksack und Auffalten und dann das Ganze wieder retour, hab weiterlaufen lassen und dazu auch das Standgas ein wenig hochgedreht hab. Oder an einer Stelle angehalten hab wo ich sie bergab im dritten Gang anlaufen lassen konnte. Also irgendwas war da schon faul. Optimal gezogen hat sie ja vielleicht auch nicht, ist ja mit viel Gepäck im Vergleich zum üblichen ‚leer‘ schwer zu beurteilen. Und nach dem Tanken musst ich jedes Mal richtig wüst treten bis sie wieder gelaufen ist.
Apropos Tanken, die letzte Tankstelle in Breno war schon auch ein wenig windig – Diesel??? Riecht man ja heute nicht mehr aber dann wär sie ja nicht noch 50 km gelaufen, oder?
Also Zündfunke, das Werkzeug raus, die Kerzen …! Na, die hätt ich vielleicht auf den 30.000km die ich bis jetzt mit der Enduro gefahren bin auch mal wechseln können. Sie schaun abgebrannt und rußig aus, ein Abstand ist gefühlt richtig der zweite ein gutes Stück zu groß aber wie ich sie in die Kerzenstecker steck, mit Handschuh an – ich bin auch schon mal am Zündfunken gehangen, das ist nicht lustig – an den Motorblock halte und dann den Kickstarter trete funkts doch sichtbar.
Das wars also nicht, bleiben die Vergaserdüsen. Die GS ist ein tolles Motorrad aber um die Schwimmerkammern abzuschrauben müssen die direkt darunter liegenden Auspuffkrümmer weg, sonst wirst Du beim Gepfriemel an den vier M4-Schräubchen wahnsinnig. Ich montier also den kompletten Auspuff ab, hab zwanzig Minuten später die erste Schwimmerkammer runter und schraub die Düsen raus. Nach weiteren zehn Minuten find ich zu meiner grossen Erleichterung auch die Hauptdüse wieder die mir dann gleich mal ins Gras fällt.
Na ja, die Düsen, da könnte vielleicht ein Wassertropfen – oder auch nicht. Ich puste sie durch und schraub alles wieder drauf und mach mich dann an den anderen Vergaser. Gegen halb zwölf, ich hab mir noch eine Cola geholt, nicht gegen Durst, sondern weil ich das Dosenblech brauch um den Auspuffendtopf an der Verbindung zum Krümmersammler wieder richtig dicht zu bekommen, hab ich alles wieder zusammen.
Hände waschen, einer der Endurofahrer die weiter vorne campieren hat eine Tube des wunderbaren ALDI-Handreinigungsmittels dabei, und dann kommt die Stunde der Wahrheit.
Zwei Tritte, der Motor läuft, Riesenerleichterung ... und geht wieder aus. Und alles ist genau wie vorher, bei jedem zehnten Tritt … aber er nimmt kein Gas an. Sche....e, Sche....e, Sche....e!!!!!
Ich setz mich auf meinen Campingstuhl und überleg. Wir haben offensichtlich Sprit, ach ja, die Kerzen waren so feucht, daß ich sie mit dem Gasfeuerzeug sauber gebrannt hab, wir haben einen Zündfunken. Aber vielleicht ist die Zentralschraube am Fliehkraftversteller nicht fest oder sind die beiden Schräubchen, die den Zündgeber halten, locker und es hat die Zündung verstellt. Ich schraub den Deckel über der Zündung runter, alles in Butter, so ein Mist, jetzt fällt mir gar nichts mehr ein.
Nach einer weiteren Viertelstunde ist mir klar, daß ich einen Heimtransport brauche. Ich ruf meinen Kumpel Karl-Heinz an und frag ihn, ob er nicht Lust hat seinen Hänger an mein Auto zu hängen und eine kleine 650 km - Reise an den Idro-See zu machen. Karl-Heinz ist seit einem guten Jahr Rentner, hat immer Programm, muß morgen auch erst mal mit seinen Rennradlern auf die Strecke, kann die Idro-Tour aber mir zuliebe übermorgen, am Donnerstag, einschieben.
Ich sitz da und überleg, was ich bis dahin mache. Eigentlich wollt ich noch weiter zum Pasubio um die ‚strada delle 52 gallerie‘ https://de.wikipedia.org/wiki/Strada_delle_52_Gallerie zu erwandern, ich hab extra Wanderstiefel, Wanderjacke und einen Rucksack dabei. Das wär 100 km weiter und wird jetzt wohl eher nichts, vielleicht ruf ich Karl-Heinz nochmal an und sag ihm, er soll auch Wanderzeugs mitbringen, dann können wir mit dem Auto noch da rüber. Aber jetzt ist erst mal Wandern am Idro angesagt.
Die Nachbarin, ganz nette Leute, kommt aus ihrem dicken Leipziger Wohnmobil und fragt, ob ich schon das world-wide-web konsultiert hätte, da gäbs für jedes Problem eine Lösung. Hab ich natürlich nicht, also macht sies und landet auf einer Seite, auf der Motorradtechnik erklärt wird. Nach zehn Minuten stellen wir das ein, die Tips helfen nicht wirklich weiter und ich hab auch die Sicherung der Benzinpumpe nicht geprüft weil … ihr dürft raten warum.
Ich setz mich wieder ein wenig auf den Campingstuhl und denk über die Situation nach. Nächstes Jahr geh ich voraussichtlich in Rente und dann will ich mit der GS ein Mal richtig weg, Albanien, weiter in die Osttürkei, auf den Nemrut Dag auf dem wir vor knapp 40 Jahren schon mal mit dem R4 waren und weiter an den Ararat, vor dem wir damals nach sechs Wochen Türkei-Tour blöderweis ans Mittelmeer abgebogen sind, vielleicht auch noch nach Georgien, Armenien. Wenn sie auf der Tour irgendwo hinterm Ararat stehen bleibt hilfts wahrscheinlich eher nichts, Karl-Heinz anzurufen.
Unter diesem Aspekt kann es also gar nicht sein daß ich einen Motor, den ich gestern Abend einfach nur abgeschaltet hab heut nicht wieder zum Laufen bring. Ich überleg nochmal was ein Verbrennungsmotor grundsätzlich so braucht, damit er läuft: Zündung, Sprit und Luft muß eigentlich reichen wenn er am Vortag noch marschiert ist.
Zündung, hat er! Sprit, hat er! Luft, hat er! Hat er wirklich? Also, Luft hab ich nicht gekuckt.
Die GS ist, weil der linke Auspuff über dem Motorgehäuse zwischen Getriebe und Luftfilterkasten nach rechts durch muß, auf einen liegenden K&N-Tauschluftfilter umgebaut und um den rauszubauen muß ich ein wenig schrauben. Er klemmt dann auch noch aber nach knapp zehn Minuten hab ich ihn rausgewürgt. Mach den Benzinhahn auf, drück den Choke, schalt die Zündung ein, trete einmal. Und der Motor läuft als wär nie was gewesen.
Ich kuck den Filter an, der ist innen voller Dreck. Den hab ich, genau wie die Kerzen, 30.000km völlig ignoriert, bin aber damit doch schon die eine oder andere Staubstrecke gefahren. Die Endurofahrer vorne auf dem Camping sind mit Autos und Hängern da und gut sortiert. Einer hat Bremsenreiniger dabei, ich stopf Klopapier in den Filter und sprüh ihn ein, das Papier wird von dem Schlamm der da rausläuft rabenschwarz.
Der Endurokumpel kuckt auch und meint dann, daran hätt er schon auch gedacht, wär aber bei einem Schrauber nie auf die Idee gekommen, daß man ernsthaft über einen verdreckten Luftfilter nachdenken muß.
Das war jetzt, finde ich, sehr freundlich formuliert. Meine Mutter selig hätt dazu einfach ‚Du Schlamper!‘ gesagt. Und damit absolut recht gehabt.
Martin