
... und von dort, nicht direkt, sondern über eine traumhafte Bergstrecke über der Bucht von Kotor


Auf dem Weg ein kleines Missgeschick: In den Bergen überhol ich auf kerzengerader, mindestens ein Kilometer langer Strecke im Überholverbot drei Autos als ein kleiner blauer Mann

Alles digitalisiert hier, ich staune nur

Die Straße über der Bucht von Kotor und der Abstieg aus ca 600 m auf Meereshöhe sind gigantisch, es ist eng, es ist kurvig, eine Aussicht nach der andern. Und spätestens wenn einer entgegenkommt muß die jeweilige Bremse vor mir so langsam tun, daß ich mich vorbeidrücken kann und wieder vorne bin.




Die Straße um Kotor führt zwischen der Altstadt und dem Hafen durch und ist ein einziges gut 5 km langes Verkehrschaos mit stehendem Verkehr in beiden Fahrtrichtungen. Ich schlängel mich vorsichtig, wie ichs vom Stuttgarter Stadtverkehr kenne, durch, werde dabei von zwei Kamikaze-Rollern ausgebremst und häng mich dann an die dran. Ab da geht’s zügig voran, da kann ich noch was lernen.
Dann an der Bucht entlang nach Risan wo ich gegen halb drei tanke und den Tankwart frage, wie ich statt über die rot markierte P11 über die kleine Schlängelstraße Richtung Vilusi, Mostar und Bosnien weiterkomme.

‚old road, 200 meters, turn right, very bad …‘. Genau das was ich suche.
Nach 200 Metern rechts, dann erst zwischen Häusern zum Ortsrand, und von dort über holprigen Asphalt, viele Löcher und auch mal halbseitig abgerutschter Straße in vielen Kurven und diversen Kehren nach oben.
Nach ca 7 km ein schöner Blick auf Risan, ich halt an, mach Fotos, trink das eiskalte Schweppes von der Tanke und ess dazu einen gesunden kleinen 'Xtra'-(large) Happen.

15 Minuten Pause, dann fahr ich weiter. Oder besser gesagt, ich versuchs aber die Fuhre schlingert grausam. Der Hinterreifen ist platt!
Den hier ...

... hab ich eine Woche vorher unbeschadet aus dem Reifen gezogen. Aber dieses Mal bin ich fällig!
Ich wuchte die Kawa auf den Hauptständer, dreh das Rad und schraube dann später, als das Rad schon draussen ist, an der Stelle mit dem deutlich sichtbaren Schraubenkopf eine ca 3,5 x 30 Spax aus einem der Stollen.

Bis jetzt ist mir auf der Strecke keiner begegnet, deshalb muß ich mir wies aussieht selbst helfen und dazu gibt’s, wenn ich das so überdenke, zunächst vier Optionen

Die Situation schöntrinken

Mit plattem Reifen nach Risan runterrollen und hoffen, daß es dort einen Vulkaniseur (Reifenflicker) gibt. Und daß sowohl der Reifen wie der Schlauch nach 7 km Abfahrt nicht in Fetzen hängen

Das Rad ausbauen und damit nach Risan runterdackeln und hoffen daß es dort … Das Drecksrad wiegt geschätzt 15 kg, selbst wenn ichs rollen kann ohne daß es mir runterwärts abhaut bin ich unten tot. Und wenns dann keinen Vulkaniseur gibt … und hoch muß ich ja auch wieder.

Selber flicken

Jetzt wären Schlauchlosreifen schön. Da bohrt man das Loch auf, klebt einen Gummipopel rein, hängt den Kompressor an die Bordsteckdose, pumpt auf und fährt weiter. Ich hab aber bedauerlicherweise Schlauchreifen auf Flachschulterfelgen von der Suzuki DR 650.
Flickzeug, Montierhebel, eine Luftpumpe und einen Druckmesser hab ich im Gepäck aber wer schon einmal versucht hat, einen Conti TKC80, oder, in meinem Fall, einen Heidenau K60 Scout von einer Flachschulterfelge zu ziehen, weiß, was mir bei dem Gedanken wirklich Angst macht.
Zuhause wo ich meine meine Reifen sowohl bei der B wie auch bei der GS selbst wechsle mach ichs bei der B ganz normal mit kleinen BMW-Montierhebeln. Bei der GS hab ich mir angewöhnt, den Reifen erst mal an einer Stelle im Werkstattschraubstock vom Felgenrand in die Felgenmitte zu drücken, damit er die Spannung verliert und ich ihn anschließend mit den langen Montierhebeln vollends runter würgen kann.
Den Schraubstock hab ich leider nicht dabei .
Wie ich das das Hinterrad ausbau kommen zwei Pkws mit Montenegriner Kennzeichen von oben, die Insassen freuen sich, daß was geboten ist und machen im Vorbeifahren die üblichen Handyfotos - hoffentlich hab ich freundlich genug gelächelt.
Als ich das Rad draussen hab kommt ein kleiner Lastwagen von oben. Es ist eng, er muß im Schrittempo vorbei und ich halt ihn vollends an. Der Fahrer spricht weder englisch noch deutsch, ich kein montegrinisch aber ich zeig aufs Rad, dann nach unten und sag Vulkaniseur und nach fünf Minuten zeigt er auf die Ladefläche und ich heb das Rad drauf. Dann nimmt er das Handy, telefoniert, . … zeigt nach unten, sagt Vulkaniseur, schüttelt den Kopf und ich lad das Rad wieder ab.

Er fährt weiter und ich versuch mit 95 kg Lebendgewicht plus Motorradkleidung, in Summe sicher gut 100 kg, den Reifen von der Felge zu treten. Ich wussts schon vorher, kannste vergessen

Alternativ mit dem Seitenständer abdrücken. Nur auf dem Vorderrad, ohne das Hinterrad, steht das Motorrad nicht, also keine Möglichkeit bei ausgebautem Hinterrad den Seitenständer vom Boden zu bekommen. War also auch nix, dazu brauchts ein Zweitmotorrad mit zwei eingebauten Rädern.
Bleibt, ich mein Gaga hätt das hier mal geschrieben, der Hauptständer

Ich leg das Rad vorne neben den Ständer, zieh die Handbremse und kipp das auf Vorderrad und Hauptständer stehende Motorrad schräg nach vorn von mir weg, damit meine Ständerseite hoch kommt. Der Reifen ist ganz schön dick, ich kipp soweits geht und tatsächlich gelingts mir nach mehreren Versuchen, auf einem Fuß stehend mit dem anderen das Rad grad so bis zum Felgenrand unter den Ständer zu schieben, ohne daß ich die ganze Fuhre von mir weg vollends nach vorne umschmeisse. Dann zieh ich zurück, stell die Kawa dadurch praktisch auf den Reifen, noch passiert nichts, aber als ich schließlich auch noch mit einem Fuß auf die Fußraste auf meiner Seite steige machts Plopp und der Reifen ist auf 10 cm Länge runter in Felgenmitte.
Uff!!!! – Davon hab ich jetzt leider kein Foto weil dafür mindestens eine Hand zu wenig.
Von da an geht’s ganz gut: ich zieh den Reifenrand auf dieser Seite mit den langen Montierhebeln über den Felgenrand, klemm im Bereich des Ventils zwei dicke Steine zwischen Reifen und Felge und fiesel das Ventil und anschließen den ganzen Schlauch raus.
Erst Kleber mit Wartezeit, dann den Flicken aufs Loch und fest andrücken, vorsichtig testweise aufpumpen, dicht !!! Geht ganz einfach, genau wie beim Fahrrad. ...

... und dann den Schlauch wieder reingefieselt, möglichst ohne dabei die Finger zwischen Felge und Reifenwulst einzuklemmen.

Zuhaus hab ich einen 10 Liter – Eimer mit Reifenmontierpaste. Davon hatt ich früher auf Touren immer ein Frühstücksquarkdöschen voll im Tankrucksack bis das mal aufging – eine Reisenschweinerei! Aber ohne Montierpaste rutscht der Reifen nicht über die Felge. Ok, Kernseife aus dem Waschbeutel und Trinkwasser, glücklicherweis hab ich vorher ein Schweppes und nicht den letzten Rest Quellwasser in der Wasserflasche getrunken,tuns auch.
Nach längerem Gewürge und mit einem zweiten Versuch, weils mir beim ersten den Reifenhalter einklemmt, ist der Reifen auf der Felge. Und nach geschätzt 4.357 Hüben mit der Fahrradpumpe


Jetzt kommt ein schwedischer Jeep, der Fahrer fragt, ob er helfen kann. Na, vor einer Stunde wär ich froh gewesen aber nett wars trotzdem, daß er gefragt hat. Und wie ich grad beim Radeinbau bin kommt ein Österreicher auf einer dicken KTM von oben und bietet Hilfe an. Einen Schlauchlosreifenflicker und einen elektrischen Kompressor. Aber mit Aufpumpen bin ich auch schon durch.
Es ist Viertel Sechs, die Abendsonne knallt rein, ich bin platt und völlig verschwitzt. Nach Vilusi wos möglicherweis einen Campingplatz gibt wärens jetzt gut 60 km. Null Bock!
Manchmal hab ich mit meiner montegrinischen Telefonkarte aus unerfindlichen Grüdnen kein Netz, verstehen tu ichs immer nicht, dieses Mal funktionierts aber mal wieder: Booking.com sagt in Risan gibt’s Privatzimmer um 50 Euro.
Das ältere Ehepaar diskutiert ein Weilchen ob ich reindarf, was mich, nach einem Blick in den Spiegel, nicht mehr wundert. Nach einer langen Dusche und mit frischer Wäsche bin ich wieder Mensch. Und nach einem Abendessen am Strand mit zwei leckeren montegrinischen Bierchen schlaf ich diese Nacht wie ein Murmeltier.
